Ausgangslage

Seit der 80er Jahren ist bekannt, dass sich die DNS Methylierung in Tumorzellen sich grundlegend von derjenigen in gesunden Zellen unterscheidet. Während die globale DNS Methylierung in Krebszellen meist geringer ist als in normalen Zellen (Hypomethylierung), sind in vielen Krebszellen die Genpromotoren übermässig methyliert (Hypermethylierung). Auch in Darmkrebs sind zahlreiche schützende Gene (Tumor Suppressoren) infolge Promoter Hypermethylierung inaktiviert. In den 90er Jahren wurde erkannt, dass in gesunden Zellen der normalen Darmschleimhaut von Patienten mit Darmkrebs die Methylierung in einigen Genpomotoren mit ansteigendem Alter zunimmt. Wichtige Fragen blieben aber unbeantwortet: (i) Ist die durch Hypermethylierung bedingte Inaktivierung von Tumor Suppressoren in Darmkrebszellen auch die Ursache der Entstehung von Polypen und Darmkrebs? (ii) Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der altersabhängigen Zunahme der Promoter Methylierung in gesunden Zellen der normalen Darmschleimhaut und dem erhöhten Darmkrebs Risiko im Alter? (iii) Was sind die Ursachen der Instabilitäten der Promoter Methylierung mit zunehmendem Alter?

Im Gegensatz zu den relativ statischen Genen können äussere Einflüsse auf epigenetische Muster einwirken, d.h. Umweltfaktoren können Methylierungsmuster von Genen beeinflussen und dadurch Einfluss auf deren Funktion nehmen. Somit können Umweltfaktoren auf die Funktion der DNS einwirken, ohne dass dabei deren Struktur verändert wird, und dabei die Entstehung von Krebs begünstigen. Die Epigenetik stellt demnach ein variables Scharnier zwischen der Umwelt und der Funktion des Erbgutes dar.

In den vergangenen 10 Jahren ist unser Team den genannten Fragen und dem Einfluss von Lifestyle Faktoren auf die molekularen Veränderungen bei der Entstehung von Darmkrebs im Rahmen einer klinisch-biologischen Zusammenarbeit mit systematischen Analysen nachgegangen.

Die Resultate unserer bisherigen Projekte zeigen, dass Darmkrebs relevante Methylierungsmuster durch Lifestyle Faktoren beeinflusst werden und bereits in normaler Schleimhaut nachweisbar sind. Die Analyse dieser Veränderungen hat demnach das Potential, Personen mit erhöhtem Darmkrebsrisiko zu identifizieren. In der SWEPIC Studie wird das Potential von Analysen der Methylierung für die Früherkennung und Prävention von Darmkrebs untersucht.

Bisherige Projekte:

2009

Einfluss von biologischen Faktoren auf die Promoter Methylierung von hMLH1 und MGMT

  • Nur bei Frauen besteht eine altersabhängige Hypermethylierung des Gens MLH1, besonders im rechten Dickdarm.
  • In normaler Darmschleimhaut haben Frauen mit hyperplastischen Polypen erhöhte Methylierungswerte in hLMH1, Männer mit Adenomen in MGMT.

In einer ersten Studie haben wir die Promoter Methylierung in normaler Darmschleimhaut von gesunden Personen untersucht, denn die zuvor beschriebene altersabhängige Zunahme der Methylierung wurde in normaler Darmschleimhaut von Patienten mit Darmkrebs beobachtet. Von 100 gesunden Personen wurden je vier Proben normaler Schleimhaut entlang dem Dickdarm gesammelt. Für unsere Studie analysierten wir mit einer neu entwickelten, hoch sensitiven und quantitativen Methode die Promoter Methylierung der Gene hMLH1 und MGMT. Diese beiden Gene sind für DNS Reparaturprozesse wichtig und es ist bekannt, dass deren Ausfall zu Darmkrebs führen kann.

Unsere Analysen zeigten, dass (I) bereits in normaler Schleimhaut von Gesunden häufig eine Methylierung in den Promotoren von hMLH1 und MGMT nachweisbar ist; (II) eine altersabhängige Zunahme der Promoter Methylierung nur in hMLH1, aber nicht in MGMT besteht; (III) die altersabhängige Zunahme der hMLH1 Methylierung auf den rechten Dickdarm älterer Frauen beschränkt ist; (IV) Frauen mit serratierten (hyperplastische) Polypen erhöhte hMLH1 Methylierungswerte und Männer mit Adenomen erhöhte MGMT Methylierungswerte in normaler Darmschleimhaut haben.

Unsere Resultate führten zu folgenden Erkenntnissen: (I) die Methylierung der Promotoren von hMLH1 und MGMT ist nicht, wie früher postuliert, krebsspezifisch, sondern bereits häufig in normaler Darmschleimhaut nachweisbar; (II) die altersabhängige Zunahme der Methylierung ist kein genereller Prozess, sondern entwickelt sich in Abhängigkeit biologischer Faktoren (Gen, Geschlecht, Lokalisation im Dickdarm); (III) Personen mit Polypen haben erhöhte Methylierungswerte in normaler Darmschleimhaut, und zwar je nach Art der Polypen in unterschiedlichen Genen.

Das Methylierungsmuster einer Darmkrebs Variante ist bei Gesunden nachweisbar

Wie beschrieben, gibt es Varianten von Darmkrebs, die aus verschiedenen Subtypen von Polypen über unterschiedliche molekulare Mechanismen entstehen. Eine Variante von Darmkrebs entwickelt sich aus serratierten Polypen und kommt überwiegend im rechten Dickdarm von älteren Frauen vor. Bei dieser Variante von Darmkrebs ist hMLH1 infolge Promoter Hypermethylierung inaktiviert. Somit zeigen unsere Daten, dass das Muster dieser Variante von Darmkrebs (rechter Dickdarm, ältere Frauen) bereits bei Gesunden nachweisbar ist (Zunahme der altersabhängigen hMLH1 Methylierung im rechten Dickdarm von älteren Frauen). Die Analyse der hMLH1 Methylierung bei Gesunden hat demnach das Potential, Personen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung dieser Variante von Darmkrebs zu identifizieren und diese Personen gezielt endoskopisch zu überwachen.


2014

Einfluss von Lifestyle Faktoren auf die Promoter Methylierung von hMLH1 und MGMT

  • Bei Gesunden beschleunigen Rauchen und Übergewicht die altersabhängige Hypermethylierung in normaler Darmschleimhaut.
  • Bei Gesunden verzögern Aspirin und Hormone die altersabhängige Hypermethylierung in normaler Darmschleimhaut.
  • In Genen der Subgruppe Age&Cancer ist die altersabhängige Hypermethylierung bei Gesunden beschleunigt und reagiert besonders empfindlich auf Lifestylefaktoren.
  • Gene der Subgruppe Age&Cancer sind gehäuft mit einer bereits in Stammzellen vorhandenen Markierung gekennzeichnet.

In einer grossen Folgestudie mit 546 gesunden Frauen untersuchten wir, ob die Promoter Methylierung von hMLH1 und MGMT nicht nur durch biologische, sondern auch durch Lifestyle Faktoren, welche anerkannte Risikofaktoren von Darmkrebs sind, beeinflusst wird. Es bestätigte sich die altersabhängige Zunahme der hMLH1 Methylierung im rechten Dickdarm, welche durch Lifestyle Faktoren nicht beeinflusst wurde. Hingegen wurde dieser Prozess in MGMT durch Lifestyle Faktoren signifikant moduliert, d.h. die altersabhängige Zunahme der Methylierung wurde durch Rauchen beschleunigt und durch die Einnahme von Aspirin verzögert. Der Einfluss dieser Faktoren auf die altersabhängige Zunahme der MGMT Methylierung war unterschiedlich im rechten und linken Dickdarm. Frauen mit serratierten Polypen wiesen eine um 48% erhöhte MGMT Methylierung in normaler Schleimhaut des linken Dickdarmes auf im Vergleich zu Frauen ohne solche Polypen. Unsere Resultate zeigen, dass auch der MGMT Promoter in normaler Schleimhaut einer altersabhängigen Zunahme der Methylierung unterliegt und dass diese, im Gegensatz zu hMLH1, nicht nur durch biologische, sondern auch durch Lifestyle Faktoren beeinflusst wird.

Einfluss von biologischen und Lifestyle Faktoren auf die genomweite Promoter Methylierung

Mittels Array Technologie untersuchten wir altersabhängige Veränderungen der Methylierung in >14'000 Genen in normaler Darmschleimhaut von gesunden Frauen. Die Analyse ergab eine Zunahme der Methylierung in 1'713 Genen, eine Abnahme in 343 und keine Änderung bei den übrigen Genen. Die altersabhängige Hypermethylierung betraf im rechten und linken Dickdarm unterschiedliche Gene und dieser Prozess war im linken Dickdarm beschleunigt im Vergleich zum rechten Dickdarm. Interessanterweise zeigte sich, dass Frauen, welche Aspirin (> 2 Jahre) oder Hormone (nach 50. Lebensjahr) eingenommen hatten, signifikant weniger von der altersabhängigen Zunahme der Methylierung betroffen waren als Frauen, welche diese Medikamente nicht eingenommen hatten. Im Gegensatz zu Aspirin und Hormonen beschleunigten Rauchen und Übergewicht die altersabhängige Promoter Hypermethylierung, und zwar je nach Darmabschnitt unterschiedlich ausgeprägt. Unsere Resultate zeigen, dass (I) altersabhängige Veränderungen der Methylierung nur in einer Minderheit von Genpromotoren bestehen (Hypermethylierung > Hypomethylierung); (II) im linken und rechten Dickdarm verschiedenen Gene unterschiedlich ausgeprägt von der Hypermethylierung im Alter betroffen sind; (III) Lifestyle Faktoren die altersabhängige Promoter Methylierung beschleunigen (Rauchen, Übergewicht) oder verlangsamen (Aspirin, Hormone) können.

Relevanz der durch Lifestyle Faktoren modulierten Promoter Methylierung bei Gesunden für die Entstehung von Darmkrebs

Von grosser Bedeutung war für uns die Frage, ob die durch Lifestyle Faktoren modulierte Hypermethylierung bei Gesunden für die Entstehung von Darmkrebs relevant ist. Hierzu haben wir unsere Daten von gesunden Frauen mit denjenigen mit Darmkrebs verglichen. Diese Analyse ergab das Vorhandensein verschiedener Gruppen von Genen: (I) Gene, bei denen die Methylierung im Alter zunimmt, die aber in Darmkrebs nicht methyliert sind („age only", 857); (II) Gene, die keine altersabhängige Zunahme der Methylierung zeigen, aber dennoch in Darmkrebs hypermethyliert sind („cancer only", 853); (III) Gene, bei denen die Methylierung im Alter zunimmt und die in Darmkrebs hypermethyliert sind („age-cancer", 856). Im Vergleich zur Subgruppe „age only" erfolgt die altersabhängige Zunahme der Methylierung in den Genen der Subgruppe „age-cancer" doppelt so schnell und die Methylierung in diesen Gene reagiert besonders sensibel auf Lifestyle Faktoren. Von früheren Studien ist bekannt, dass Promotoren, welche eine altersabhängige Zunahme der Methylierung aufweisen oder die in Krebs hypermethyliert sind, in embryonalen Stammzellen mit einer besonderen Markierung gekennzeichnet sind, dem sog. Polycomb Protein Marker H3K27me3. In unserer Arbeit konnten wir nachweisen, dass die Promotoren der „age-cancer" Subgruppe die H3K27me3 Markierung signifikant häufiger aufweisen als diejenigen der Subgruppe „age only". Somit ist es uns gelungen, zwischen Genpromotoren zu differenzieren, deren Zunahme der Methylierung lediglich den normalen Altersprozess begleitet, und solchen, bei denen die Akkumulation der Methylierung mit dem Alter zu Darmkrebs führt. Unsere Daten zeigen, dass Veränderungen der Methylierung in Darmkrebs relevanten Genen („age-cancer") bereits bei Gesunden nachweisbar sind. Erhöhte Methylierungswerte dieser Gene bei Gesunden können daher Indikatoren für ein erhöhtes Darmkrebs Risiko sein und diese Biomarker für die Früherkennung Prävention genutzt werden. Im Gegensatz zu genetischen Mutationen ist die Methylierung ein reversibler Prozess. Daher eröffnet die Identifizierung der Gene, bei denen die Promoter Methylierung durch Lifestyle Faktoren modulierbar ist, auch die Möglichkeit, gezielt präventive Strategien zu entwickeln.

2017

Aufbau der SWEPIC Kohorte zur molekularbiologischen Erforschung von Darmkrebs

(Swiss Epigenetic Colorectal Cancer Cohort Study)

  • Von jeder Person wurde Blut, Serum und Biopsien normaler Darmschleimhaut entnommen.

Der Aufbau einer klinisch gut charakterisierten, prospektiven Kohorte mit einer dazugehörigen klinischen Datenbank und Biobank ist entscheidend für die Erforschung der Entstehung von Darmkrebs und die Anwendung dieser Erkenntnisse zur Entwicklung von Tests für die Früherkennung und Prävention. In den Jahren 2015/16 konnten an drei Zentren (Gastroenterologie Oberaargau Langenthal, GastroCentro Lugano, Claraspital Basel) über 1600 Personen, welche sich einer Darmspiegelung unterzogen, für die SWEPIC Kohorte rekrutiert werden. Von diesen Personen wurden detaillierte klinische Daten (Koloskopie, Histologie), demografische Angaben und ausführliche Informationen zum Lifestyle erfasst und anonym in einer Datenbank gespeichert. Ebenso wurde von diesen Personen verschiedene Biosamples (Blut, Serum, Biopsien normaler Darmschleimhaut) gesammelt und anonym bei -80°C in einer zentralen Biobank aufbewahrt. Von Personen, welche sich nach Entfernung von Polypen in einigen Jahren erneut einer Darmspiegelung unterziehen müssen, können im Verlauf die gleichen Daten erfasst und Biosamples gewonnen werden. Der Aufbau der prospektiven SWEPIC Kohorte mit der dazugehörigen Datenbank und Biobank ermöglichen, die Methylierung von Darmkrebs-relevanten Genen zu messen und epigenetische Markerpanels zu entwickeln, welche für Polypen und Darmkrebs diagnostisch bzw. prognostisch sind. Darüber hinaus ermöglicht unsere Forschung, Interaktionen zwischen Aging, Lyfestyle und der Entstehung von Krebs allgemein und im Besonderen von Darmkrebs zu verstehen und diese Erkenntnisse für die Prävention zu nutzen.

Der Aufbau einer technologischen Plattform für die high-throughput von DNS Methylierung ist wichtig für die Entwicklung eines effizienten und kostengünstigen Tests zur Früherkennung und Prävention von Darmkrebs. In den vergangenen Jahren haben wir eine solche methodische Plattform aufgebaut, diese wird nun weiterentwickelt, um die Analysen kostengünstiger durchführen zu können.

    2019

    Einfluss genetischer und epigenetischer Mechanismen bei der Entstehung von Darmkrebs Varianten

    • Aus konventionellen Adenomen entsteht die Variante nonCIMP-Darmkrebs, aus sessil serratierten Polypen die Variante CIMP-Darmkrebs
    • Hypermethylierung bei konventionellen Adenomen und nonCIMP-Darmkrebs durch Aging und Lifestyle, bei CIMP-Darmkrebs Hypermethylierung durch Mutation im BRAF Gen und TET 1/2 Inaktivierung
    • Modell der molekularen Pathways bei der Entstehung von nonCIMP-Darmkrebs und CIMP-Darmkrebs


    Wie in der Rubrik Darmkrebs (Entstehung von Darmkrebs) beschrieben, ist heute anerkannt, dass Darmkrebs (DK) keine homogene Erkrankung ist, sondern in Varianten vorkommt. Diese DK Varianten entwickeln sich aus verschiedenen Polypen (konventionelle Adenome, serratierte Polypen) über unterschiedliche molekulare Wege. Dabei spielen genetische und epigenetische Mechanismen eine entscheidende Rolle.

    In dieser Studie untersuchten wir mittels Array Technologie die DNS Methylierung in normaler Darmschleimhaut von Gesunden, Polypen und in Darmkrebs. Zunächst identifizierten wir zwei Varianten von Darmkrebs (sog. nonCIMP- und CIMP-DK) mit unterschiedlichem Methylierungsmuster. Durch Vergleich dieser beiden DK Methylierungsmuster mit der Methylierung in normaler Darmschleimhaut konnten wir zwei Klassen von Promoter Cytosinen (CpGs) identifizieren: sog. CIMP-spezifische CpGs (diese sind nur in CIMP-DK hypermethyliert) und sog. neutrale CpGs (diese sind in CIMP- und nonCIMP-DK hypermethyliert). Die Untersuchung von Polypen zeigte, dass CIMP-CpGs nur in serratierten Adenomen, neutrale CpGs hingegen sowohl in serratierten wie konventionellen Adenomen hypermethyliert sind. Dies bestätigt, dass serratierte Polypen die Vorstufen von CIMP-DK und konventionelle Adenome die Vorstufen von non-CIMP-DK dar. Im Gegenstaz zu CIMP-CpGs, wurde die Methylierung von neutralen durch das Alter und Lifestyle (bspw. Aspirin) beeinflusst. Damit stellte sich die Frage nach der Ursache der Hypermethylierung von CIMP-CpGs. Hierzu untersuchten wir Gewebe von DK, Polypen, Tumorzelllinien und einem Mausmodell. Dabei zeigte sich, dass eine Mutation im BRAF Gen die Aktivität von TET Proteinen unterdrückt. Diese Proteine führen normalerweise zu einer Demethylierung und ein TET Funktionsverlust dementsprechend zur Hypermethylierung. Die Messung der Methylierung in verschiedenen Genen bestätigte, dass diese bei der Entstehung von CIMP-DK durch Hypermetylierung inaktiviert sind, während die Funktion der gleichen Gene bei der Entstehung von non-CIMP-DK durch genetische Mutationen ausfällt.

    Zusammenfassung: CIMP-DK entsteht aus serratierten Polypen. Dabei führt ein genetischer Defekt (Mutation im BRAF Gen) zu einer epigenetischen Inaktivierung von TET und in der Folge zur Hypermethylierung von zahlreichen Genen mit Schutzfunktion (Tumor Suppressor Gene, TSG). Die Inaktivierung der TSG bei CIMP-DK ist demnach primär genetisch (BRAF) und sekundär epigenetisch (TET) induziert und unabhängig von Aging und Lifestyle. NonCIMP-DK entsteht aus konventionellen Adenomen. Dabei kommt es durch geentische Mutationen zu einem Funktionsverlust der TSG und die Hypermethylierung der neutralen CpGs wird durch Alter und Lifestyle beeinflusst. Diese Resultate fördern unser Verständnis bei der molekularen Entstehung der verschiedenen Varianten von Polypen und Darmkrebs. Darüber hinaus hat die Analyse der Methylierung von CpGs, welche schon in Polypen und normaler Darmschleimhaut nachweisbar ist, das Potential, die Prävention und Früherkennung von DK zu verbessern.

    2020

    Aspirin hemmt die altersabhängige und Darmkrebs-relevante Methylierung in normaler Darmschleimhaut von Gesunden

    • Bei Gesunden verzögert Aspirin die altersabhängige Hypermethylierung in normaler Darmschleimhaut und kann so das Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs senken.

    In unserer 2014 publizierten Studie (s.o.) zeigten wir, dass in der normalen Darmschleimhaut von gesunden Frauen die altersabhängige Zunahme der DNS Methylierung in zahlreichen Darmkrebs-relevanten Genen durch Aspirin verzögert wird. Dabei handelte es sich um eine sog. Querschnittsstudie, d.h. es wurden bei 546 Frauen während einer Darmspiegelung eine Gewebeprobe entnommen und die genom-weite DNS Methylierung gemessen. Bei der nun publizierten Studie handelt es sich hingegen um eine sog. Längsschnittstudie. Dies bedeutet, 10 Jahre nach der ersten Darmspiegelung wurde diese wiederholt, erneut eine Probe normaler Darmschleimhaut entnommen und wiederum die DNS Methylierung gemessen.

    Anhand des Ausmasses der DNS Methylierung kann mit verschiedenen statistischen Modellen das biologische Alter bestimmt werden, bspw. in Blut. Die Anwendung dieser Tests in dieser Studie ergab, dass die Einnahme von Aspirin den Altersprozess in normaler Darmschleimhaut im beobachteten Zeitraum von 10 Jahren verzögerte. Die verzögerte DNS Methylierung zeigte sich vor allem in der Schleimhaut des rechten Dickdarmes. Darüber hinaus war der gebremste biologische Altersprozess in zahlreichen Darmkrebs-relevanten Genen nachweisbar. Die Erkenntnisse unserer Studie, welche erstmals den Langzeiteffekt der Einnahme von Aspirin auf das epigenetische Aging im gesunden Darm untersuchte, bieten eine mögliche mechanistische Erklärung für den in zahlreichen epidemiologischen Studien beobachteten protektiven Effekt dieses Medikamentes gegen Polypen und Darmkrebs.

    2023

    Risiko für Darmpolypen durch einzelne Lebensstilfaktoren und deren Wechselwirkung

    Wie in der Rubrik Darmkrebs beschrieben, gibt es verschiedene Darmpolypen (adenomatöse Polypen, serratierte Polypen), deren Entstehung durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden kann. Dabei gibt es schützende und das Risiko erhöhende Faktoren, welche beeinflussbar (bspw. Lifestyle, Ernährung, Aspirin etc.) sind, andere nicht (Alter, Geschlecht). Die meisten bisherigen Studien haben den Einfluss dieser Faktoren auf die Entstehung von Polypen global analysiert, d.h. unabhängig vom Polypen-Subtyp.

    In dieser Studie untersuchten wir, welche Faktoren das Risiko für adenomatöse bzw. serratierte Polypen beeinflussen. Die Datenauswertung war neuartig, da diese nicht nur durch konventionelle statistische Methoden, sondern auch durch die Anwendung künstlicher Intelligenz (maschinelles Lernen) erfolgte. Mit diesem Ansatz identifizierten wir sowohl Polypen-Subtyp spezifische wie generelle Risikofaktoren. Übergewicht, das metabolische Syndrom und der Verzehr von rotem Fleisch erhöhen das Risiko für alle Polypen; höheres Alter, männliches Geschlecht und westliche Ernährung erhöht das Risiko für konventionelle Adenome, Rauchen nur für serratierte Polypen.

    Die Identifikation einzelner Risikofaktoren ist wichtig, allerdings kommt es zwischen diesen zu Wechselwirkungen, welche bisher im Hinblick auf das Risiko von Darmpolypen kaum untersucht wurden. Die Analyse von Interaktionen zeigte, dass es sowohl Risikofaktoren mit einem dominanten wie auch solche mit modulierbarem Effekt gibt. Beispielsweise war die Risikoerhöhung für adenomatöse und serratierte Polypen durch das metabolische Syndrom weder durch eine gesündere Ernährung (prudent diet) oder mehr körperliche Aktivität beeinflussbar. Auch der negative Effekt von Rauchen für serratierte Polypen zeigte sich durch verschiedene Lifestylefaktoren nicht beeinflussbar. Hingegen lässt sich die Risikoerhöhung für adenomatöse Polypen durch rotes Fleisch mit mehr körperlicher Aktivität oder einer weniger ungesunden Ernährung (western diet) reduzieren, während die Kombination von Rauchen und Alkohol das Risiko erhöht. Die Risikoerhöhung für serratierte Polypen durch einen erhöhten BMI wird weiter erhöht durch Junkfood, kann jedoch gesenkt werden durch weniger Rauchen und eine weniger ungesunde Ernährung.

    Zusammenfassung: Die Entstehung von adenomatösen und serratierten Polypen wird teilweise durch dieselben, teilweise durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Einige Faktoren können durch andere moduliert werden, während der Effekt gewisser Faktoren dominant ist. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Beratung zur Prävention von Darmkrebs und die Erforschung der molekularen Mechanismen, welche der Entstehung von Polypen zugrunde liegen.

    2024

    Variabilität der DNA-Methylierung in normaler Schleimhaut: ein Marker für die Krebsentstehung bei Patienten mit adenomatösen Polypen

    In unseren früheren Studien konnten wir zeigen, dass bereits in normaler Darmschleimhaut von Gesunden Darmkrebs-relevante Veränderungen der DNS Methylierung nachweisbar sind. In dieser Studie untersuchten wir, ob es in normaler Darmschleimhaut unterschiedliche Muster der DNS Methylierung bei gesunden Personen mit vs. ohne Polypen gibt. Hierzu wurde mittels Array Technologie die Methylierung an über 800'000 Promotor Cytosinen (sog. CpGs) in 2'200 Biopsien gemessen. Die Messwerte von rund 280'000 CpGs erfüllten die geforderten Qualitätskriterien. Die enorme Datenmenge wurde mit Methoden der künstlichen Intelligenz ausgewertet. Wir konnten 558 CpGs identifizieren, deren Methylierung hochsignifikant (4 Standard Abweichungen) vom Mittelwert abweichend war (sog. Outlier) (Fig A). Der Anteil (Prozent) an Outliern in normaler Darmschleimhaut war bei Personen mit adenomatösen Polypen im rechten Dickdarm signifikant höher als bei Personen ohne solche Polypen (Fig B). Noch höher war der Prozentsatz an Outliern in normaler Darmschleimhaut von Patienten mit Darmkrebs und in Gewebe von adenomatösen Polypen bzw. Darmkrebs. Mit der Outlier Fraktion war eine Unterscheidung zwischen Gesunden mit vs. ohne adenomatöse Polypen im rechten Dickdarm mit einer Zuverlässigkeit von 63 - 81 % möglich, zwischen Gesunden ohne Polypen und Patienten mit Darmkrebs zwischen 82 – 88 % und zwischen normaler Darmschleimhaut und Gewebe von Darmkrebs mit 99 % (Fig C). Die Relevanz dieser Outlier konnten wir weiter bestätigen, indem wir zeigten, dass ein Grossteil der Outlier für die Entstehung von Darmkrebs wichtige Gene (Tumor Suppressoren, Oncogene) betraf und die Expression dieser Gene teilweise bereits in normaler Schleimhaut reduziert war.

    Zusammenfassung: Erstmals konnten wir nachweisen, dass die Entstehung von Darmkrebs mit einer zunehmenden Dysregulation der DNS Methylierung einhergeht. Erstmals konnten wir zeigen, dass dieser Prozess bereits in normaler Darmschleimhaut von Gesunden beginnt und die Diskriminierung von Gesunden mit vs. ohne adenomatöse Polypen mit moderater und von Gesunden ohne Polypen vs. Patienten mit Darmkrebs mit guter Zuverlässigkeit erlaubt. Outlier stellen demnach mögliche Biomarker für ein erhöhtes Darmkrebs-Risiko dar und deren Bestimmung hat das Potential für eine effizientere Früherkennung und Prävention von Darmkrebs.